„Die Tanzstunde“
Leichte Kost mit Tiefgang im Theater im Rathaus
Autismus als Thema ist in der Unterhaltung längst angekommen – ob in Filmen wie „Rainman“, „Wochenendrebellen“ oder zuletzt „Ezra – Eine Familiengeschichte“. Nun behandelt auch das Theater im Rathaus in Mark St. Germains Stück „Die Tanzstunde“ diese Thematik auf einfühlsame Weise. Der Untertitel bezeichnet es als „eine zauberhafte und sehr witzige Komödie über zwei faszinierende Persönlichkeiten“. Doch trotz des Humors bleibt das Lachen angesichts der ernsten Probleme der beiden Protagonisten manchmal im Halse stecken. Die Aufführung ist dennoch voller Zauber und Herzlichkeit, wobei der Humor trotz aller Ernsthaftigkeit nie zu kurz kommt.
Der Geowissenschaftler Ever Montgomery ist beruflich äußerst erfolgreich und steht kurz vor der Verleihung eines wichtigen Preises. Doch aufgrund seines Asperger-Syndroms, einer speziellen Form von Autismus, ist er im Alltag stark eingeschränkt. Für die Preisverleihung möchte er seine Angst vor körperlicher Berührung überwinden und tanzen lernen. Der Hausmeister seines New Yorker Apartmenthauses empfiehlt ihm, sich an Senga Quinn zu wenden, eine Tänzerin. Senga ist nach einem schweren Unfall, bei dem ihr Knie zerstört wurde, in eine Depression gefallen und fürchtet, nie wieder tanzen zu können – eine bittere Aussicht, denn das Tanzen ist ihr einziger Lebensinhalt in einem sonst schwierigen Leben.
Die langsame Annäherung dieser beiden vom Schicksal gezeichneten Menschen verläuft nicht ohne Komik. Die Dialoge sprühen vor Wortwitz und Schwung, und besonders beeindruckend ist die schauspielerische Leistung von Madeleine Niesche und Ralf Stech. Niesche verkörpert die verzweifelte Senga mit großer Sensibilität, die am Rande des Abgrunds steht. Stech hingegen brilliert in der Rolle des Ever, indem er sowohl in Gestik als auch Mimik die innere Zerrissenheit einer in ihrer Krankheit gefangenen Seele darstellt, die nach Normalität strebt.
Heinz Kreidls Inszenierung ist schwungvoll und ideenreich, sodass die langsame Annäherung des ungleichen Paares mit viel Vergnügen verfolgt wird. Das Publikum fiebert mit und wird von dieser liebevollen Geschichte, die Tiefgang mit leichter Komik vereint, bis zum Schluss in ihren Bann gezogen.
Den Aufführungen wünscht man noch viele Zuschauer. Noch bis zum 29. September ist „Die Tanzstunde“ zu sehen. Karten gibt es auch kurzfristig über uns.
Sigrid Riemer