Ein absurder Abend
"Die kahle Sängerin" von Eugène Ionesco im Schauspielhaus Bochum
Denkt man an das absurde Theater, dann fallen einem als Inbegriffe "Die kahle Sängerin" und "Warten auf Godot" ein. Beide Stücke werden nun in Bochum aufgeführt. Ist unsere Gesellschaft wieder so orientierungslos wie Anfang der 50er Jahre?
Am 25. April hatte "Die kahle Sängerin" in der Regie von Hausherrn Johan Simons Premiere. Er lässt die Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Publikum auftreten. Das Ehepaar Smith (Stacyian Jackson und Stefan Hunstein) redet aneinander vorbei und streiten sich um Kleinigkeiten. Dann kommt das Ehepaar Martin (Jele Brückner und Marius Huth) zu Besuch. Allein der fein geführte Dialog zwischen dem sich entfremdeten Ehepaar, dass sich anscheinend nicht erkennt, ist ein Besuch des Stückes wert. Dazu nachher noch die trockene bierernste Erzählung einer sinnlosen Geschichte durch die Feuerwehrfrau (Danai Chatzpetrou), die auf der Suche nach Bränden bei den Ehepaaren vorbeikommt, bieten Schauspiel- und Fabulierkunst höchster Güte. Der Diener (Konstantin Bühler) ist nicht nur Hausdiener, sondern entpuppt sich als Sherlock Holmes und als mondäne Sängerin (ob kahl wird nicht beantwortet).
Das Drama mit irrealen und grotesken Szenen und wahllos verknüpft erscheinenden Dialogreihen verdeutlicht die Sinnfreiheit der Welt und den darin orientierungslosen Menschen. Auf den vier Bildschirmen im Bühnenhintergrund (Bühne: Sascha Kühne und Johan Simons) erscheinen neben sich widersprechenden Uhrzeiten auch Werbefilme aus den 50er Jahren, die heutzutage belächelt werden, aber kurz eingeblendete Kampfflugzeuge mahnen, dass diese Sinnlosigkeit zum Abgrund führen kann, so dass das Lachen ein bisschen im Halse stecken bleibt.
Sigrid Riemer