Cookie Consent by Free Privacy Policy Generator website Tankred Dorsts „Merlin oder das wüste Land“ | Theatergemeinde metropole ruhr | Ihr Weg zur Kultur

Tankred Dorsts „Merlin oder das wüste Land“

Ein Monumentaldrama zum Abschluss der Intendanz von Christian Tombeil am Grillo-Theater


Das Stück vom Zauberer Merlin und der Artus-Sage beginnt mit einem Prolog vor den geschlossenen Saaltüren. Jesus vertreibt die heidnischen Götter und die Riesin Hanne sucht kurz vor der Niederkunft mit ihrem Bruder den Kindsvater unter den Zuschauern. Mit roten Nasen und Rüschenkleidern entfaltete sich ein groteskes, verstörendes Spiel. Merlin (Thomas Büchel) wirkt dagegen eher normal, wenn man davon absieht, dass er gleich mit Bart und Brille zur Welt kommt. Zeiten und Tatsachen spielen in diesem Welttheater keine Rolle. Die eigentliche Artusepik spielt im Frühmittelalter, die Gralssuche bleibt unvollendet, weist mit der Suche nach einem friedvollen Miteinander in die heutige Weltgeschichte und endet sehr banal in einer Discokugel, die vom Bühnen-„Himmel“ schwebt. Merlin, dem Sohn des Teufels, ist es aufgetragen, den Menschen zum Bösen zu verführen. Er widersetzt sich dem Vater und gründet mit dem jungen Artus (Philipp Noack) die Tafelrunde, um am runden Tisch, der erst noch erfunden werden muss, eine Utopie einer menschlichen Zivilisation und friedlichen Gesellschaft zu entwickeln. Doch die Wirklichkeit mit ihren menschlichen Schwächen steht den Wünschen entgegen. Artus, als 14-jähriger König geworden, ist den Verstrickungen ausgeliefert. Bis zum Schluss muss er den Totalversager spielen. Ginerva, seine Frau, (mal expressiv, dann sensibel gespielt von Janina Sachau) liebt Lancelot heiß und innig. Ritter Lancelot (Alexey Ekimov) ist jedoch kein treuer Liebhaber, eher ein hormongesteuerter Macho und beginnt im Exil die nächste Liason. Großartig der Auftritt der beiden Frauenfiguren Ginerva und Elaine (eine weitere Geliebte von Lancelot). Als wenn Liebe und Verrat nicht schon genug wären, kommt dann noch der uneheliche Sohn von Artus, Sir Mordred (vehement dargestellt von Trixi Strobel), ins Spiel. Misstrauen und Machtanspruch gegenüber dem Vater, als Despot mit blauer Perücke und dunkel umrandeten Augen nicht mehr aus dieser Welt, zum Mörder seiner Mutter Ginerva werdend, zelebriert er den eigenen Untergang, indem er sich schließlich in das Schwert Excalibur stürzt. Merlin sieht die Vergeblichkeit des Impetus der Weltverbesserung ein und wird von Wellen verschluckt, um am Schluss noch einmal als Geist an der Decke zu schweben. Welch hoffnungslos verstörendes Scheitern einer zwischenmenschlichen, aber auch weltpolitischen Utopie! Ist das Scheitern selbstverschuldet oder nur Schicksal?

Wie mehrfach beschrieben, habe sich das Ensemble des Essener Schauspiels das Tankred-Dorst-Stück zum Abschied des Intendanten Christian Tombeil gewünscht. Ob die Wahl des faustisch anmutenden Stoffes zu einem harmonisch-heiteren Abschied passt, sei dahingestellt. Jedenfalls greift diese Inszenierung von Lars-Ole Walburg tief in die „Technikkiste“ der Theatermaschinerie: viereinhalb Stunden Spielzeit, inklusive zwei Pausen. Nach der ersten Pause sitzen ausgewählte Stuhlreihen auf der Drehbühne, der gesamte Bühnenraum wird bis zur Hinterbühne für das Spiel genutzt, brutale Videoeinspielungen von Naziaufmärschen, Anschlägen, Krieg und todbringenden Drohnen kontrastieren mit der Utopie der Weltrettung (Videografie: Konrad Kästner). Nach der zweiten Pause sitzen alle wieder auf ihren Plätzen im Zuschauerraum, die Ritter auf der Bühne stehen dagegen im Kunsteisnebel. Dazu kommen Goldkonfetti auf die Upperclass auf der Drehbühne, Spielflächen auf Seitenbühnen und der Galerie im Saal, Stroboskoplichter und ständig wechselnde Bühnenbilder, eben alles, was die technischen Möglichkeiten am Grillo hergeben. Beinahe das gesamte Ensemble des Grillo agiert auf der Bühne, meistens in Mehrfachrollen, immer mit ganzer Energie und Spielfreude. Nicht ausbleibende Längen bei dieser Mammutinszenierung und das hohe Maß technischer „Tricks“ werden sicher durch das motiviert agierende Ensemble und die Liebe zum Detail wettgemacht. Am Ende bleibt die uns bewegende Frage nach den Zielen und Mitteln eines Kampfes für Demokratie und Frieden angesichts menschlicher Begierde und Lust an der Macht. Helfen Utopien bei der Welterklärung? Jeder kennt die Geschichte und lernt doch nicht daraus. „Alles ist wahr, auch die Lügen“. Wirkliche Hoffnung gibt es nicht an diesem Abend, dafür viel Applaus für die ideenreiche Inszenierung und die grandiose Leistung der Darsteller und Darstellerinnen.
Rainer Hogrebe

Ines Krug und Thomas Büchel | © Birgit Hupfeld

Was suchen Sie?

Sie suchen eine bestimmte Veranstaltung?

Sie suchen bestimmte Angebote der Theatergemeinde metropole ruhr

Möchten Sie die ganze Seite durchsuchen?